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Was läuft, Königsborn?

„Kinder und Jugendliche sind die Zukunft jeder Gesellschaft!“ Doch was von der Politik in vielen Reden öffentlichkeitswirksam festgestellt wird, muss sich auch durch konkrete Angebote und Einrichtungen in den Städten und Stadtteilen niederschlagen –  und dies auch, weil für die Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine gesetzliche Pflicht besteht, der auch die Kreisstadt Unna nachkommen muss.

Dies ist Anlass genug für Quartiersmanager Liberto Balaguer, die vorhandenen Angebote in Königsborn unter die Lupe zu nehmen und gemeinsam darüber mit seinen Gesprächspartnern, Kindern und Jugendlichen aus dem Quartier zu diskutieren. Anders als bei den bisherigen Gesprächsabenden gibt es keine „Wohnzimmeratmosphäre“ mit Sofa und Stehlampe. Vielmehr steht der Moderator mit seinen Gesprächspartnern Carsten Schmidt, Jugendhilfeplaner der Kreisstadt Unna, und Susanne Stock, Pfarrerin der Ev. Kirchengemeinde Unna-Königsborn, direkt im Publikum. Der Saal im Gemeindezentrum der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Unna-Königsborn (EFG) ist mit über 50 Bürgerinnen und Bürger gut gefüllt, darunter auch viele Jugendliche, die sich in der Jugendarbeit als sogenannte „Teamer“ engagieren. Unter ihnen Sahra Chamlali, 14 Jahre alt, Kimberly Kirsch (16) und Lea Schreiber (17).

„Jugendhilfeplanung, was ist das eigentlich?“ Mit dieser Frage eröffnet Liberto Balaguer die Gesprächsrunde. Seine Frage richtet der Moderator an Carsten Schmidt, Jugendhilfeplaner der Kreisstadt Unna: „Ich plane alles, was Jugendliche und Familien angeht – von regelmäßigen Angeboten bis zu zeitlich befristeten Projekten. Wünsche und Bedarfe nehme ich von Institutionen, Familien und Kindern auf und schaue, wo die Stadt unterstützen kann und wo freie Träger sich einsetzen könnten. Ich trage die Wünsche und Bedarfe in das Rathaus und in die Politik.“ Liberto Balaguer hakt nach und möchte wissen, wie er von den Wünschen erfährt. „Ich lese viele Studien, aber am besten ist es natürlich, direkt ins Gespräch zu gehen und Umfragen in Schulen und Jugendzentren zu machen.“ In der Gesamtstadt leben fast 10.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre. Rund ein Drittel davon lebt in Königsborn. Der Stadtteil hat im städtischen Vergleich eine sehr junge Bevölkerung. Um ihre Bedarfslagen zu ermitteln und spezifische Angebote für junge Menschen zu formulieren, analysiert die Stadt im Rahmen ihrer Jugendhilfeplanung regelmäßig die Lage von Kindern und Jugendlichen. Die Ergebnisse sind im „Kinder- und Jugendförderplan der Kreisstadt Unna 2015-2020“ zusammengefasst. Ziel ist es, die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe zielgenau auf den Bedarf auszurichten.

Da der aktuelle Jugendförderplan ausläuft, bereitet die Kreisstadt Unna einen neuen Plan für den Zeitraum nach 2020 vor. „Der Kinder- und Jugendförderplan bildet die Grundlage für die nächsten 5 Jahre. Eine wichtige Frage ist dabei, wo wir als Stadt Bedarfe sehen zu unterstützen. Ziel ist es auch, Planungssicherheit für öffentliche und freie Träger der Kinder- und Jugendarbeit zu schaffen“, erläutert Schmidt.

Carsten Schmidt (re.), Jugendhilfeplaner der Kreisstadt Unna mit Quartiersmanager Liberto Balaguer (li.), Foto: plan-lokal/Dennis Sakowski

„Der Kinder- und Jugendförderplan bildet die Grundlage für die nächsten 5 Jahre. Eine wichtige Frage ist dabei, wo wir als Stadt Bedarfe sehen zu unterstützen.“

 

 

Freie Träger sichern Vielfalt
Das sogenannte, gesetzlich festgeschriebene Nachrangigkeits- oder Subsidiaritätsprinzip stellt – vereinfacht ausgedrückt – sicher, dass der Staat sich nicht zu viel einmischt. Das heißt, dass das, was Einzelne, Familien oder Träger aus eigener Kraft tun können, nicht von der Stadt an sich gezogen werden darf. Sie wirkt aber unterstützend mit und hilft, wo sie kann. Freie Träger können Verbände, Kirchengemeinden, Elterninitiativen oder auch Vereine sein, zum Beispiel der Falken Kinderclub. Die Idee dahinter ist, dass es in der Gesellschaft viele Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen und Meinungen gibt. So können Eltern für ihre Kinder die Angebote eines freien Trägers ihrer Wahl nutzen, zu dem man sich am ehesten zugehörig fühlt. Das Kinder- und Jugendbüro der Stadt Unna bietet beispielsweise sehr viele Angebote für Kinder und Jugendliche an und kooperiert mit anderen Akteuren im Stadtteil.

„Circus Travados, Falken Kinderclub und IN VIA sind einige der freien Träger. Aber es gibt auch Kirchengemeinden, die Kinder- und Jugendarbeit übernehmen“, merkt Liberto Balaguer an und begrüßt Susanne Stock, Pfarrerin der Ev. Kirchengemeinde Unna-Königsborn. „Carsten Schmidt hat sich über das Nachrrangigkeitsprinzip positiv geäußert. Wie stehst Du zur Arbeit freier Träger?“ Susanne Stock: „Ich sehe das auch sehr positiv! Bestimmte Grundhaltungen wie Respekt vor anderen Menschen, das Engagement für unser Gemeinwesen oder vieles andere lernen Jugendliche durch unterschiedliche, gemeinsame Erfahrungen. Notwendig sind dafür auch unterschiedliche Träger. Uns ist es wichtig, dass wir christliche Werte vermitteln und lernen, Verantwortung zu übernehmen. Ich werde immer ganz demütig und dankbar, wenn ich sehe, wie sich die Kinder und Jugendlichen einbringen.“ Dana Buchmann, eine jugendliche Teamerin im Falken Kinderclub, meldet sich aus dem Publikum: „Mir ist es ganz wichtig, dass ich den Kindern beibringe, offen mit allen Menschen umzugehen und sich selbst dabei treu zu bleiben. Kinder und Jugendlichen müssen lernen, auch andere Meinungen zu respektieren“. Für Georg Münch von der EFG ist es wichtig, dass die Gemeinde junge Menschen mit Gott in Kontakt bringt und Werte wie Würde und Respekt vermittelt.

Die Zukunft der ‚Brücke‘
Liberto Balaguer wendet sich nochmal an Susanne Stock, um mehr über die konkrete Situation im Taubenschlag und über die Zukunft der ‚Brücke‘ zu erfahren: „Melina Köhler, unsere Leiterin des Taubenschlags ist in Elternzeit. Seit November führt Sophia Weber die Elternzeitvertretung. In der ‚Brücke‘ haben wir im Frühjahr diesen Jahres unsere bisherige Jugendreferentin aus gesundheitlichen Gründen verabschiedet. Sie hat viele Jahre die Kinder- und Jugendarbeit geprägt.“ Susanne Stock erinnert daran, dass die heutige Gemeinde 2011 aus zwei bestehenden Gemeinden vereinigt wurde. In dieser Zeit habe es große Herausforderungen gegeben, etwa bei der inhaltlichen Neuaufstellung, aber auch bei den Standort- und Gebäudefragen. „Das Gemeindezentrum ‚Brücke‘ an der Berliner Allee haben wir nun an die Stadt verkauft, die Kirchengemeinde konnte das Gebäude finanziell einfach nicht mehr halten“, erläutert Pfarrerin Susanne Stock die aktuellen Entwicklungen. „Emotional ist die Abgabe der ‚Brücke‘ natürlich schwierig. Viele Menschen haben eine Verbindung zu dem Haus über Generationen hinweg. Vor der ‚Brücke‘ haben wir schon die Christuskirche abgegeben, das war ein Trauma für die Gemeindemitglieder.“

Das bisher im Eigentum der Ev. Kirchengemeinde stehende Gemeindezentrum wird in den Besitz der Kreisstadt Unna überführt. Damit ist jedoch kein Rückzug der Gemeinde- und Gemeinwesensarbeit im Quartier verbunden. Vielmehr wird damit die bestehende Kooperation der Stadt und der Ev. Kirchengemeinde verstetigt und fortentwickelt, indem gemeinsame Konzepte sowie zielgerichtete und bedarfsgerechte Lösungen für die Menschen im Quartier Berliner Allee entwickelt werden. „Ich denke, dass die Lösung für Königsborn gut ist. Der Falken Kinderclub macht im Königsborner Süden auch sehr gute Arbeit. Es bringt nichts, im Kirchturmdenken zu verhaften. Es ist fatal, nur zu schauen, was man selbst macht und nicht zu sehen, was die anderen machen und wie man sich ergänzen kann“, resümiert Pfarrerin Stock.

Als Stadtteilzentrum ist die ‚Brücke‘ auch in Zukunft ein Begegnungszentrum im Quartier rund um die Berliner Allee mit Strahlkraft für den gesamten Stadtteil. Susanne Stock betont: „Die ‚Brücke‘ war schon immer ein Stadtteilzentrum, da immer auch nicht-religiöse Bürger und Menschen ohne Gemeindebezug die Angebote wahrgenommen haben. Auch heute gibt es verschiedene Träger und Gruppen, die das Gebäude mit Leben füllen. In Zukunft werden wir die obere Etage der ‚Brücke‘ weiterhin für unsere Gemeindearbeit nutzen.“

 

Susanne Stock (li.), Pfarrerin der Ev. Kirchengemeinde Unna-Königsborn mit Quartiersmanager Liberto Balaguer (re.), Foto: plan-lokal/Dennis Sakowski

„Die ‚Brücke‘ war schon immer ein Stadtteilzentrum, da immer auch nicht-religiöse Bürger und Menschen ohne Gemeindebezug die Angebote wahrgenommen haben.“

 

 


Aufsuchende Jugendarbeit

Liberto Balaguer interessiert sich für die Sichtweise seiner jugendlichen Gesprächsgäste: Sahra Chamlali (14) und Kimberly Kirsch (16) engagieren sich ehrenamtlich im Falken Kinderclub. Sahra Chamlali erzählt: „Als Kind war ich regelmäßig mit dem Falken Kinderclub im Taubenschlag zur Kinderdisco. Jetzt arbeite ich ehrenamtlich mit. Ich habe auch schon einen Jugendhelferschein.“ Lea Schreiber (17) engagiert sich ebenfalls ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit. Sie hat dabei festgestellt, dass viele Jugendliche sich schwer täten, regelmäßig offene Angebote wahrzunehmen. Jugendhilfeplaner Carsten Schmidt teilt diese Einschätzung: „Die Lebenswelten haben sich verändert. Es ist wichtig, dass wir als Jugendhilfe dahin gehen, wo die Jugendlichen sind und ihnen genau zuhören, wo der Schuh drückt. Aufsuchende Jugendarbeit ist hier das Stichwort.“ Während früher Kinder und Jugendliche regelmäßig ins Jugendzentrum gingen, kämen sie heute zumeist nur bei konkreten Aktionen oder Angeboten. Deshalb orientieren sich die Jugendeinrichtungen neu: Sie bieten mehr Projekte für konkrete Zielgruppen an und kooperieren darüber hinaus mit vielen anderen Akteuren im Quartier. Die 17-jährige Lea Schreiber ergänzt: „Jugendliche tun sich schwer, von alleine Angebote wahrzunehmen. In der Schule sollte mehr Werbung für Angebote gemacht werden. Es ist wichtig, dass Erwachsene mehr hinter den Jugendlichen stehen und sie unterstützen.“

Lea Schreiber (li.) mit Quartiersmanager Liberto Balaguer (re.), Foto: plan-lokal/Dennis Sakowski

„Jugendliche tun sich schwer, von alleine Angebote wahrzunehmen. In der Schule sollte mehr Werbung für Angebote gemacht werden. Es ist wichtig, dass Erwachsene mehr hinter den Jugendlichen stehen und sie unterstützen:“


Treffpunkte und Räume vorhanden

Im Publikum meldet sich ein jugendlicher Teamer des Taubenschlags und weist auf die Treffpunkte von Jugendlichen im Kurpark hin: „Nicht selten kommt es dabei auch zu Beschädigungen oder Konflikten. Deshalb solltenwir auch in den Kurpark gehen und die Jugendlichen dort ansprechen“. Die Königsbornerin Christina Setzer pflichtet ihm bei, mahnt aber auch zu mehr Toleranz: „Die Diskussion ist zu eindimensional geführt. Wir sollten uns an unsere eigene Jugend erinnern und als Erwachsene mehr Toleranz gegenüber den Jugendlichen haben. Denn es gehört auch einfach mal dazu, über die Stränge zu schlagen.“ Thomas Gragen im Publikum macht auf ein ganz anderes Problem aufmerksam: „In den Sommerferien spielen meistens 25 bis 30 Jugendliche Billard bei uns im Verein. Unsere Mitspieler fahren überregional tolle Erfolge ein, der Billardsport in Unna entwickelt sich positiv, aber unsere Räumlichkeiten werden allmählich zu klein.“ Er wünsche sich mehr Unterstützung durch die Stadt, zum Beispiel bei der Vermittlung passender Räumlichkeiten. Auch die Informationspolitik, warum Leerstände jahrelang ungenutzt bleiben, könnte seiner Ansicht nach besser sein.

Politik stellt wichtige Weichen
Die Politik in Unna hat mit dem Beschluss zur Aufstellung eines neuen Kinder- und Jugenförderplans nun eine wichtige Weiche für den Zeitraum 2020 bis 2025 gestellt. Der Veranstaltungsabend zeigt, dass dabei möglichst viele verschiedene Wege genutzt werden sollten, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Genauso wichtig sind allerdings auch differenzierte Angebote für Kinder und Jugendliche, die an ihre Lebenswelt anknüpfen. „Es bleibt abzuwarten“, schließt Moderator Liberto Balaguer den Diskussionsabend, „welche Angebote und Konzepte im neuen Kinder- und Jugendförderplan enthalten sind.“

‚Die Brücke‘ verändert bis 2021 ihr Gesicht

Neue Fassade und Eingangssituation des zukünftigen Stadtteilzentrums Nord ‚Die Brücke‘, Blick aus Richtung Berliner Allee (Planung: weicken architekten, Unna)

Seit 1976 ist das Ev. Gemeindezentrum „Die Brücke“ ein offener Treffpunkt. Generationen haben hier gefeiert, musiziert, gebastelt, Konfirmandenunterricht gehabt. Viele Eltern, die heute die Angebote nutzen, waren selbst schon als Kinder in der Brücke. Das Gebäude blieb während seiner über 40-jährigen Nutzung fast unverändert. Es ist deshalb sehr in die Jahre gekommen und bedarf einer umfassenden Modernisierung. Die räumlich-funktionalen Gegebenheiten müssen für aktuelle, aber eben auch zukünftige Bedarfe angepasst werden. Die notwendige Investition beläuft sich auf rund 840.000 Euro. Eine Summe, die die Ev. Kirchengemeinde Königsborn allein nicht mehr aufbringen kann. Um den für das Quartier so wichtigen Standort und Ankerpunkt der Kinder-, Jugend-, Familien- und Gemeinwesenarbeit zu erhalten, geht das Gemeindezentrum deshalb in den Besitz der Kreisstadt Unna über.

Die Gruppen- und Spielräume des Gebäudes sollen auch weiterhin allen Vereinen und sonstigen Trägern und Einrichtungen im Quartier zur Verfügung gestellt werden. Auch die Kirchengemeinde bleibt vor Ort. Im Erdgeschoss erhält diese drei Räume für ihre sozialdiakonische Arbeit. Zudem werden zwei Büros für Mitarbeiter der Kreisstadt Unna als Dauerarbeitsplätze sowie ein Besprechungsraum im Erdgeschoss neu eingerichtet. Im Untergeschoss des Hauses wird die Stadt offene Kinder- und Jugendarbeit durch einen freien Träger der Jugendhilfe anbieten.

Damit das Gebäude sowohl im Erd- als auch im Untergeschoss für alle Menschen gut erreichbar ist, werden zwei neue barrierefreie Zugänge geschaffen. Auch die WC-Anlagen werden grundlegend saniert, es entsteht ein neues behindertengerechtes WC. Sämtliche Fußböden, Fenster und Türen werden ausgetauscht. Das Gebäude präsentiert sich von außen zukünftig mit einer neuen Fassade in warmen Farbtönen und wirkt damit freundlicher und einladender. Mit den Umbaumaßnahmen verbunden sind außerdem eine umfassende energetische Sanierung des Gebäudes, eine Verbesserung des Schallschutzes und eine Erneuerung technischer Anlagen (u. a. Heizkörper, Beleuchtungstechnik, Elektroversorgung).

Der Umbau wird mit Fördermitteln der EU, des Bundes und des Landes NRW sowie einem städtischen Anteil finanziert. Die baulichen Veränderungen sollen spätestens bis Ende des Jahres 2021 abgeschlossen sein.