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Quer durch alle Generationen

Die weit überwiegende Mehrheit der älteren Menschen eint der Wunsch, möglichst lange und selbständig in der eigenen Wohnung und dem gewohnten Wohnumfeld zu leben und dabei in die lokale Gemeinschaft eingebunden zu sein. Hieraus ergeben sich vielfältige Herausforderungen für Städte wie Unna. Handlungsebene für eine sozialraumorientierte altengerechte Gestaltung ist dabei das Quartier.

Etwas zögerlich greift die ältere Dame zu den Figuren, die zum Quartiersspiel des Projektes „Altengerechte Quartiere.NRW“ gehören. Unter dem Motto „Gestalte dein Quartier!“ bieten die 21 unterschiedlichen Holzfiguren die Möglichkeit, sich der eigenen Idee von einem lebenswerten Quartier spielerisch bewusst zu werden. Ziel ist es, durch das Auswählen von maximal 10 Figuren und das freie Positionieren auf einem Spielbrett persönliche Wünsche und Bedarfe zu identifizieren. Dadurch soll ein ideales Modellquartier entworfen werden, das die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen genauso berücksichtigt wie die von jungen Familien, Kindern und Jugendlichen. Zur Auswahl stehen beispielsweise die Figuren „Einkaufsmöglichkeiten“, „Treffpunkte“ oder „ärztliche Versorgung“, die rund um das eigene Zuhause auf dem Spielfeld verteilt werden können. Wenn es darum geht, ein Quartier altengerecht zu entwickeln, stehen für die meisten Spieler auch die Aspekte „Sicherheit“, „Sport“ und „Nachbarschaft“ ganz oben auf der Liste. Das Quartiersspiel ist ein Angebot für die Besucher des Aktionsmarktes am Stand des Projektes „Altengerechte Quartiere.NRW“ der Kreisstadt Unna während des diesjährigen „Sommerfestes in Königsborn“. Schnell wird deutlich, welche besonderen Schwerpunkte die ältere Dame setzt: „Sicherheit“ und „Nachbarschaft“.

Doch was versteht man unter dem Begriff „Quartier“ und was ist überhaupt eine „altengerechte Quartiersentwicklung“? Ein Quartier beschreibt die Umgebung, also den öffentlichen Raum, über die eigene Wohnung hinaus. Zum Quartier gehören die Gebäude und das soziale Wohnumfeld, in dem soziale Netze aufgebaut und Nachbarschaften gepflegt, aber auch soziale Dienste angeboten und nachgefragt werden. Der Aktionsradius eines jeden Menschen ist unterschiedlich groß, weshalb die räumliche Ausdehnung des Quartiers zunächst offen bleibt, es also keine feststehenden Quartiersgrenzen gibt.

Bei einer „altengerechten Quartiersentwicklung“ stehen das Alter und Altern der Bewohner und deren Kompetenzen und Schwierigkeiten im Fokus. Alle Entwicklungsmaßnahmen für ein altengerechtes Quartier zielen darauf ab, die vorhandenen Ressourcen der älteren Bewohner, wie beispielsweise die Kontakte zur Nachbarschaft oder der Familie, zu stärken und Schwierigkeiten, wie eine eingeschränkte Mobilität, zu minimieren.

In der Kreisstadt Unna sind seit Frühjahr 2018 gleich zwei Quartiere in das Projekt des Landes NRW „Altengerechte Quartiere.NRW“ aufgenommen: die Gartenvorstadt und Königsborn Süd-Ost. In den nächsten zweieinhalb Jahren wird das Projekt durch unterschiedliche Maßnahmen und Angebote in beiden Quartieren eine bedarfsgerechte, lebenswerte und altersgerechte Entwicklung für alle Generationen fördern. Unterstützt wird dies durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Die Versorgung, das Wohnen, die Gemeinschaft und die Teilhabe stellen dabei vier Grundbausteine dar, die bei der altengerechten Quartiersentwicklung eine besondere Rolle spielen. Gefragt sind dabei alle Akteure im Quartier, wie Wohnungsbaugesellschaften, Schulen, Kitas, Vereine, Kirchengemeinden, Unternehmen und die Kommune. Gemeinsam gilt es, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die nicht nur für ältere Menschen ein lebenswertes Wohn- und Lebensumfeld schaffen.

Eine Orientierung für alle Maßnahmen geben folgende Ziele:

  • Selbstbestimmtes Leben in der vertrauten Umgebung auch bei Unterstützungs- oder Pflegebedürftigkeit möglich machen.
  • In den Quartieren lebendige Beziehungen zwischen den Generationen entstehen lassen oder bewahren.
  • Soziale Folgekosten durch wohnortnahe Prävention und Stärkung der haushaltsnahen Versorgung vermeiden.
  • Gesellschaftlichen Dialog über das Zusammenleben in einer solidarischen Gemeinschaft unter den Bedingungen des demografischen Wandels fördern.

Der demografische Wandel geht alle an!

Warum eine altersorientierte Quartiersentwicklung notwendig ist, wird deutlich, wenn man sich die Bevölkerungsentwicklung der kommenden Jahre vor Augen führt: Wie auch in anderen europäischen Ländern geht der demografische Wandel in Deutschland zum einen mit einer kontinuierlich steigenden Lebenserwartung und zum anderen mit einer niedrigen Geburtenrate einher. Ergebnis ist ein fortschreitender Bevölkerungsrückgang, der selbst durch die besonders in den letzten Jahren zunehmende Zuwanderung jüngerer Menschen nicht ausgeglichen werden kann. Eine der letzten Studien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur sogenannten „Arbeitsmarktprognose 2030“, kam zu dem Schluss, dass im Vergleich zu 2013 im Jahre 2030 ca. 5 Millionen Menschen weniger im erwerbsfähigen Alter in Deutschland leben werden. Konsequenzen hat dies vor allem auf den Arbeitsmarkt: Die Zahl der erwerbstätigen Menschen wird rapide abnehmen. Fachkräftelücken werden bis zum Jahr 2030 insbesondere bei den Gesundheitsberufen, Managern und leitenden Angestellten erwartet. Doch auch für einfache Tätigkeiten wird es zunehmend schwieriger werden Arbeitskräfte zu finden. Um diesem Wandel zu begegnen, ist Zuwanderung unabdingbar. Nur so können Lücken zum Beispiel auch in der pflegerischen Versorgung, die aktuell und in naher Zukunft noch zunehmen werden, geschlossen werden. Insbesondere der steigende Anteil hochaltriger, pflegebedürftiger Menschen stellt die Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Ein Bundesland, in dem diese Problematik immer mehr Kommunen beschäftigt, ist auch Nordrhein- Westfalen und im speziellen Teile des Ruhrgebietes, der Eifel, des Sauerlandes und Ostwestfalen-Lippes.

Die Folgen einer immer älteren, langsam schrumpfenden Bevölkerung, wie der steigende Bedarf an Pflegeplätzen und barrierefreien Wohnungen können schon heute beobachtet werden. Im Vergleich zu anderen Städten im Ruhrgebiet ist der Bevölkerungsverlust in Unna vergleichsweise gering. Auch wenn dies deutlich macht, dass sich der demografische Wandel in Unna noch in der Anfangsphase befindet, gefordert sind integrierte Projekte und Maßnahmen, die die Bedürfnisse aller Generationen berücksichtigen und zu einer menschengerechten Wohn- und Lebensumwelt führen.