Wer regelmäßig an der Baustelle an der Potsdamer Straße vorbeikommt, wird es bemerkt haben: Die neuen Wohngebäude wachsen rasant. Im Gebäude A hat sogar schon der Innenausbau begonnen. „Wir sind unserem Zeitplan um einiges voraus“, freut sich Michael Kluge als ich ihn zu unserem WortWechsel treffe.
Er ist Bauleiter im Neubauvorhaben „Parkquartier Königsborn“ und verantwortlich für (fast) alles, was auf der Baustelle passiert – oder passieren muss. Bauherr ist die HS Unna Vermögens UG & Co. KG aus Weitefeld im Westerwald. Bis zur Fertigstellung des Objektes mit 110 Wohnungen im Frühjahr 2020 hat jedoch Kluge das Sagen.
Herr Kluge, Sie haben eine verantwortungsvolle, komplizierte Aufgabe. Als ich den Beruf eines Bauleiters recherchiert habe, drängte sich mir immer mehr das Bild eines Jongleurs auf, der mit Terminen, Gewerken und gesetzlichen Vorschriften hantieren muss. Fühlen Sie sich manchmal wie im Zirkus?
(lacht) Ja, ab und zu schon! Aber Spaß beiseite, bei Artisten ist ja auch das Timing das Entscheidende. Auf einer Baustelle ist die Abfolge der Gewerke wichtig. Wie lange dauern die Vorbereitungsarbeiten für die Gründung eines Gebäudes? Wann muss der Betonmischer da sein, damit das Betonieren starten kann? Wie lange braucht der Beton zum Trocknen? Das sind nur wenige Fragen, die deutlich machen: Alles baut aufeinander auf und ist voneinander abhängig. Sämtliche Arbeiten sind in detaillierten Plänen aufgeführt.
Wie viele und welche Gewerke sind hier beteiligt?
Oh, da muss ich mal nachdenken: Betonbauer, Gerüstbauer, Dachdecker, Trockenbauer, Tischler, Maurer, Fliesenleger, Heizungsbauer, Elektriker – eigentlich alle Gewerke. Flächenmäßig ist das die größte Baustelle in Unna.
Und worin besteht Ihre Aufgabe als Bauleiter genau?
Bauleitung ist ein sehr abwechslungsreicher Beruf, der aber auch mitunter starke Nerven erfordert. Mit der Projektvorbereitung geht es los. Da gehören die Planung, Ausschreibung und Vergabe der Aufträge zu meinen Aufgaben. Damit habe ich als Projektleiter bereits zwölf Monate vor Baustart begonnen. Ohne eine Unterstützung durch unser Sekretariat der Arnsberger Andreas Ulrich GmbH wäre das jedoch nicht zu schaffen. Hier ist Teamarbeit gefragt, so auch bei der Kalkulation, der unterstützenden Bauleitung in den Gewerken und vieles mehr.
Im Zuge der Bauüberwachung bin ich natürlich hier vor Ort auf der Baustelle. Organisation, Koordination, Terminplanung und Überwachung stehen dann auf meinem täglichen Arbeitsplan. Und nicht zuletzt natürlich die Qualitätskontrolle. Ein Bauleiter hat die Gesamtverantwortung für seine Baustelle – auch hinsichtlich der Kosten, der Gewährleistung und der Sicherheit.
Da ist viel Erfahrung gefragt. Was haben Sie für eine Ausbildung und wie viele Projekte haben Sie bereits umgesetzt?
Ach, wie viele kann ich gar nicht sagen. Ich bin seit über dreißig Jahren im Geschäft. In dieser Zeit habe ich viele kleine und zahlreiche große Bauvorhaben betreut – teilweise parallel. Angefangen habe ich in den 80er Jahren, gleich nach meinem Studium als Bautechniker.
Hat sich der Beruf des Bauleiters verändert?
Bauleiter haben einen harten Job. Dazu kommt, dass Bauleiter gegenüber früher nicht nur auf der Baustelle stehen, sondern einen großen Teil ihrer Zeit am Computer verbringen: Wie der Kostendruck hat auch der Administrationsaufwand extrem zugenommen. Bauen ist heute Teamarbeit. Ohne gute Partner ist das nicht zu stemmen.
Mit wie vielen Partnerunternehmen und Lieferanten haben Sie bei so einem Projekt zu tun?
Auf der Baustelle sind Facharbeiter aus ganz Europa: Wir sind ein Team mit über sechzig Leuten. Wir haben hier Italiener, Kroaten, Polen, Ukrainer, Serben, Afrikaner, Bulgaren, Albaner, Deutsche und viele andere Nationalitäten. Ohne eine gute Mannschaft können Sie ein solches Projekt nicht realisieren und ohne, dass Sie als Bauleiter die Mannschaft auch sozial zusammenhalten, auch nicht! Ich darf dabei niemanden benachteiligen oder bevorzugen. Wie in einer Familie rächt sich das. Hinzu kommen noch die beteiligten Zulieferer und Fachplanern, wie Statiker und Prüfingenieure. Die müssen alle organisiert, koordiniert und kontrolliert werden.
Wie ist der Zeitrahmen für das Projekt gesteckt?
Bis Ende 2019 wollen wir in allen drei Gebäuden fertig sein und die Handwerker raus haben. Die Baufertigstellung der Tiefgarage inkl. der Außenanlagen wird dann noch folgen. Wir liegen sehr gut im Rennen! Das Gesamt-Investitionsvolumen beträgt rund 20 Millionen Euro. Da kostet jede Verzögerung Geld. Auch deshalb gehört die Überwachung des Terminplans zu einer meiner wichtigsten Aufgaben.
„Ohne eine gute Mannschaft können Sie ein solches Projekt nicht realisieren!“ – Bauleiter Michael Kluge im WortWechsel
Wie würden Sie diese Baustelle charakterisieren?
Es ist eine Baustelle mit sehr vielen besonderen Herausforderungen. Wir haben hier zum Beispiel drei sich überschneidende Bauabschnitte und eine Tiefgarage. Auf der Baustelle sind gleich zwei Groß-Krananlagen eingesetzt. Bedingt durch den hohen Grundwasserspiegel sind besondere Wasserhaltungsmaßnahmen notwendig. Deshalb müssen die Kellergeschosse auch in WU-Bauweise, d. h. wasserundurchlässig, ausgeführt werden. Durch die schmale Zufahrt ist die Baustellen-Logistik für die Anlieferung der Baustoffe anspruchsvoll. Aber gerade solche Herausforderungen machen großen Spaß, weil wir durch die Bank mit guten Leuten arbeiten. Bei den Baubesprechungen wird offen diskutiert und die Atmosphäre ist gut. Ein Plan kann nur vor Ort mit Leben gefüllt werden, jeder Handwerker ist dabei wichtig und weiß das auch.
Anfänglich gab es ja große Bedenken aus der Nachbarschaft.
Ja, eine Baustelle in dieser Größe bringt immer Lärm und Dreck mit sich. Wir versuchen das soweit wie möglich zu minimieren und das Wichtigste ist: frühzeitig miteinander reden! Heute werde ich bei großen und kleinen Sorgen von der Nachbarschaft einfach angesprochen. Wir machen auch schon mal eine Führung über die Baustelle oder es kommt mal jemand mit Kleidung oder Kinderspielzeug vorbei und fragt, ob jemand von den Arbeitern das für seine Familie brauchen kann.
Herr Kluge, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Liberto Balaguer.