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Heimat zum Wundern

Die Corona-Pandemie hat uns das Fürchten gelehrt! Auch im Kreis Unna stieg die Anzahl der mit dem neuartigen Sars-CoV-2-Virus infizierten Personen von drei Anfang März auf über 1.230 Mitte September. Insgesamt wurden 42 Todesfälle im Zusammenhang mit der Lungenkrankheit COVID-19 erfasst. In Folge der Pandemie haben wir alle viele Einschränkungen und auch Zumutungen hinnehmen müssen und auch für den Herbst bereitet sich das Kreishaus auf steigende Infektionszahlen vor.

In Unna ist ein Testzentrum in der Kreissporthalle an der Platanenallee fertiggestellt worden und steht seit dem 17. September für Menschen bereit, die im Rahmen der Kontaktpersonenermittlung von Corona-Patienten überprüft werden müssen. In besonderen Fällen werden auch Ältere getestet, die vor der Neu- oder Wiederaufnahme in eine Senioreneinrichtung stehen.

Das Virus sorgte und sorgt weiterhin vor allem für Angst und Unsicherheit und das auf allen Ebenen – ob gesellschaftlich, kulturell oder wirtschaftlich. Doch eine so tiefe Krise bringt auch neue Sichtweisen und Einstellungen mit sich. Eigene Standpunkte verschieben sich. Was wir noch vor wenigen Wochen als wichtig empfunden haben, tritt angesichts dieser Bedrohung zurück und macht Platz für neue Verhaltensweisen. Die Höflichkeit, die wir vor der Krise oftmals vermisst hatten, ist gestiegen. Wir erlebten, wie die durch den Virus erzwungene körperliche Distanz gleichzeitig eine neue Nähe mit sich brachte. Menschen, die vor lauter Hektik nie zur Ruhe kamen, machten plötzlich ausgiebige Spaziergänge. Das unmittelbare Wohnumfeld, die eigene Heimat, gewann an Wert. Die globale Just-in-Time-Produktion mit ihren weit verzweigten Wertschöpfungsketten wird zunehmend kritisch betrachtet. Für uns alle wurden gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten wichtiger als Erlebniskauf und reiner Konsum. Aus einem massiven Kontrollverlust wurde plötzlich ein regelrechter Aufbruch. Heute sind viele Menschen zur Routine zurückgekehrt. Doch die Chance, unsere Einstellung gegenüber dem Leben zu überdenken, gilt es zu nutzen.

Neben den wirtschaftlichen Einbußen für viele Menschen wurde manches aufgedeckt, was dringend geändert werden muss: Die mangelnde Ausstattung von Schulen mit digitaler Infrastruktur oder die Überlastung von Familien besonders in den unteren Einkommensschichten. Auch im Verhältnis zwischen Technologie und Kultur hat sich einiges verschoben. Vor Corona schien Technologie das Allheilmittel zu sein. Jetzt wundern wir uns, wie selbstverständlich Videokonferenzen und soziale Medien auch von sozialen und anderen Einrichtungen in Unna-Königsborn genutzt werden. Die Aufmerksamkeit gilt dabei weniger der Technik, als vielmehr den Menschen und den technischen Möglichkeiten, diese zu begleiten und zu unterstützen. So wird deutlich: Wandel beginnt mit einem Bruch von Routinen, dem Bruch mit dem Gewohnten. Erst das ermöglicht die Vorstellung, dass Heimat ganz anders sein könnte – auch im Besseren.

Haben wir uns nicht gewundert, was in der großen und kleinen Politik plötzlich alles möglich wurde? Jetzt gilt es, Fantasie und Tatkraft für die eigene Heimat, sein Wohnquartier einzusetzen und den Wandel mitzugestalten, ob im Quartiersbeirat oder mit einer eigenen Idee für ein Bürgerprojekt.

Liberto Balaguer
Quartiersmanager