Einfach mal ein E-Bike ausprobieren – damit startete die Veranstaltung der Wohnzimmergespräche vor dem Gemeindezentrum „Brücke“. Ganz im Zeichen cleverer Alternativen zum Auto konnte dabei jeder eins der zwei von den Stadtwerken Unna bereitgestellten E-Bikes ausgiebig testen. Manche Neugierige dehnten ihre Rundfahrt lange aus, soviel Spaß machte das Fahren mit den Hightech-Rädern.
Als notwendige Voraussetzung, um am sozialen Leben teilhaben zu können, stellt Mobilität ein Grundbedürfnis dar. Da stellt sich die Frage: Wie komme ich in Zukunft von A nach B? Deshalb hatte Quartiersmanager Liberto Balaguer zum Thema „klimafreundliche Mobilität“ in die gewohnt gemütliche Atmosphäre der Wohnzimmergespräche eingeladen.
„Radtaugliche“ Alltagswege
Als ersten Gesprächspartner begrüßte er Werner Wülfing, 1. Vorsitzender des ADFC Kreisverbands Unna. Die Interessensvertretung der Radfahrer setzt sich dafür ein, dass der Drahtesel wieder öfter genutzt und in Zeiten des Klimawandels vor allem als eine mögliche Alternative zum Auto gesehen wird. „Wir reden aber nicht nur, sondern organisieren Fahrradtouren und Infoveranstaltungen und beraten Mitglieder, Politik und Öffentlichkeit rund um das Thema Radverkehr“, so Wülfing. Er machte gleich auch auf eine ganz besondere Aktion in den nächsten Wochen aufmerksam: „Wir bieten im Rahmen der Aktion Stadtradeln eine Radtour nach Bönen an. Bei diesem bundesweiten Wettbewerb geht es darum, so viele Radkilometer wie möglich zu sammeln. Die fahrradaktivsten Kommunen werden schließlich prämiert.“ Die Aktion Stadtradeln findet vom 03. bis 23.06.2018 statt. In diesem Zeitraum kann jeder mitmachen und für seine Stadt radeln. Unna wird in diesem Jahr bereits zum fünften Mal am Stadtradeln teilnehmen.
Balaguer fragte seinen Gesprächspartner, wie der ADFC denn die Gesamtsituation der Radwege in Unna beurteilt. Im Kreis Unna und in der Stadt gebe es schon viele gute Radwege, antwortete Wülfing, gerade wenn es um den Fahrradtourismus am Wochenende geht. Aber auch Alltagswege müssten „radtauglich“ gemacht werden, um den Radverkehr zu fördern. „Eine sehr gute Maßnahme war es, Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung zu öffnen. Das ist in Unna als einem der ersten Kreise gelungen“, lobte Wülfing. Eins der größten Hindernisse, das Fahrradfahren beliebter zu machen, sehe er darin, dass das Auto immer abfahrbereit vor der Tür steht. Das Fahrrad dagegen müsse oftmals erst aus dem Keller oder Schuppen geholt werden. Moderator Balaguer hakte an dieser Stelle nach: „Es geht also darum, das Fahrrad leichter nutzbar zu machen?“ Wülfing nickt: „Ja, einerseits durch bequeme Abstellmöglichkeiten vor der eigenen Wohnung und andererseits aber auch durch geeignete Abstellmöglichkeiten am Zielort, in der Stadt, am Bahnhof oder am Supermarkt.“
Vernetzte Systeme
Bei seinem zweiten Gesprächspartner, Thomas Weigel, der bei den Stadtwerken Unna u. a. für E-Mobilität zuständig ist, kam Moderator Balaguer sofort zur Sache: „Welche konkreten Angebote gibt es im Zusammenhang mit der E-Mobilität bei Ihnen?“ „Als Wirtschaftsunternehmen möchten und müssen die Stadtwerke Unna natürlich ihr Produkt – also 100 % Ökostrom – verkaufen“, holt Weigel aus. Hierzu engagieren sich die Stadtwerke auf allen Feldern rund um die E-Mobilität. Die rund 32.500 Kunden können zum Beispiel kostenlos E-Bikes ausprobieren, etwa auch für einen Familienausflug am Wochenende.
„Beim Thema Elektroautos sind wir natürlich auch präsent: So betreiben die Stadtwerke bereits sieben Ladestationen in Unna und an der Ladestation am Bahnhof steht sogar ein BMW i3 als E-Car Sharing Fahrzeug zum Anmieten bereit.“ „Was sollte man denn beachten, wenn man sich ein eigenes Elektroauto kaufen will?“, fragte eine Dame aus dem Publikum, „ist es denkbar, dass die Stadtwerke dann eine Ladestation in der Nähe bauen?“ Weigel: „Wichtig ist für uns dabei die Kosten-Nutzen-Relation. Eine öffentliche Ladestation wird erst wirtschaftlich, wenn es genug Nachfrage im Umkreis gibt.“ Die Stadtwerke würden jedoch immer gerne Vorschläge zu Standorten für neue Ladestationen entgegennehmen. In diesem konkreten Fall rät Thomas Weigel, sich in der Nachbarschaft umzuhören, ob es noch mehr Interessenten für die E-Ladesäule gibt. Liberto Balaguer ergänzt: „Wenn sich in einem Stadtteil eine Gruppe von Interessenten zusammenfindet, würde dies die Chancen erheblich verbessern, eine öffentliche Ladestation dort aufgestellt zu bekommen.“ Doch was, wenn sich keine Nachbarn finden lassen, die sich auch für ein E-Auto interessieren? In diesem Fall bieten die Stadtwerke sogenannte „Wallboxen“ für den privaten Haushalt an. An so einer Box kann dann das eigene Auto zuhause aufgeladen werden. Weigel machte noch auf einen weiteren Punkt aufmerksam: „Beim Kauf eines Elektroautos müssen die Kosten für eine Lademöglichkeit immer mitgedacht werden, aber auch, ob in der Nähe des Arbeitsplatzes eine Lademöglichkeit vorhanden ist oder nicht.“
„Das bedeutet“, erkundigte sich Balaguer, „wer Elektromobilität will, muss in vernetzten Systemen denken? Da ist der Einzelne schnell überfordert – im Handeln, nicht im Denken!“ Weigel stimmte zu: „Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Politik notwendige Rahmenbedingungen setzt. Das derzeitige System an konventionellen Tankstellen stellt ja auch ein Netzwerk dar. Und es ist nicht von alleine entstanden! Wir stehen noch immer am Anfang der E-Mobilität, aber auf Dauer gibt es keine Alternative.“ Werner Wülfing vom ADFC lenkt hier auch gleich ein. Zwar sei die Förderung von Elektroautos in Zeiten der Dieseldebatte eher positiv für das Klima, helfe jedoch nicht gegen Staus und verstopfte Straßen. „Selbst wenn man alle Autos durch E-Autos ersetzt, macht das unsere Straßen und Parkplätze nicht leerer. Fahrräder hingegen benötigen viel weniger Platz. Darüber hinaus ist Radfahren günstiger und vor allem gesünder als Autofahren.“
Runder Tisch Mobilität?
Beim nächsten Gesprächspartner, Ulrich Benholz, Prokurist beim Spar- und Bauverein eG Dortmund, ist der Bezug zur klimaschonenden Mobilität nicht auf den ersten Blick ersichtlich. „Herr Benholz, was sagt Ihnen die Zahl 125?“, begann Balaguer das Gespräch. Herr Benholz lächelte: „Ja, das ist unser Jubiläum. Unsere Genossenschaft besteht seit 1893 und ist heute eine der größten und erfolgreichsten Wohnungsbaugenossenschaften. Damals und heute ist es unser primäres Ziel, unsere Mitglieder mit preisgünstigem und bedarfsgerechtem Wohnraum zu versorgen.“ Benholz erläuterte auch gleich, dass das Thema Mobilität für ein Wohnungsunternehmen überhaupt nicht so weit weg sei. So sei der Spar- und Bauverein im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs „Fahrradfreundliche Wohnungswirtschaft“ für sein Engagement lobend ausgezeichnet worden.
„Gibt es denn Anreize für die Wohnungswirtschaft, speziell den Radverkehr zu fördern?“, hakte Liberto Balaguer nach und ergänzte: „Andere Bundesländer, wie Baden-Württemberg, sind da schon etwas weiter. Dort ist es generell möglich, einen Teil der Autostellplätze durch Fahrradstellplätze zu ersetzen.“ Benholz: „Ja, da ist man teilweise schon weiter. Ein Kernthema, das uns von unseren Mietern herangetragen wird: Sichere und bequeme Abstellmöglichkeiten. Die Unterbringung von Fahrrad und PKW behandeln wir bei unseren Neubauten gleichrangig, zum Beispiel durch abgetrennte Bereiche für Fahrräder in Tiefgaragen“, so Benholz weiter. „Neben den Abstellanlagen sind jedoch auch die Wege im Quartier von Bedeutung, will man den Radverkehr und natürlich auch das Zufußgehen unterstützen.“
Die Wohnungswirtschaft müsse also viele unterschiedliche Interessen und Aspekte berücksichtigen, resümierte Balaguer. „Wahrscheinlich kann das nur durch einen Zusammenschluss verschiedener Akteure geleistet werden, zum Beispiel über einen Runden Tisch Mobilität. Vielleicht haben wir mit dem heutigen Abend einen ersten Anstoß hierzu unternommen“, schloss der Moderator auch gleich daraus. So könne zum Beispiel der ADFC die Wohnungswirtschaft bei den Anforderungen an fahrradfreundliche Quartiere beraten. Und die Stadtwerke Unna könnten in Kooperation mit einem Wohnungsunternehmen Ladestationen im Wohnquartier errichten. „Gefragt sind alle“, resümiert Balaguer, „Politik, Unternehmen und nicht zuletzt die Verbraucher.“
Vielseitig und Modern
Wie gewohnt gab es zwischen den Gesprächen ein musikalisches Intermezzo, diesmal vom Akkordeontrio „ButtonsBeat“. Die drei jungen Frauen werden von Musiklehrer Ruslan Maximovski unterrichtet. Das Publikum war beeindruckt: „Ich bin erstaunt, wie vielseitig, modern und innovativ Akkordeonmusik klingen kann“, äußert eine Dame aus dem Publikum anerkennend. Mit großem Dank an seine Gesprächsgäste und an die Musikerinnen von „ButtonsBeat“ beendete Quartiersmanager Liberto Balaguer den informativen und unterhaltsamen Abend.