Wo bisher viele Menschen auf engem Raum und in einem nicht mehr zeitgemäßen Hochhaus im typischen Stil der 1970er-Jahre lebten, entsteht bis 2019 das „Parkquartier Königsborn“. #HeimatKönigsborn hat sich die laufenden Vorbereitungen zum Abriss einmal angesehen.
Das sanierungsbedürftige und von Leerstand geprägte Hochhaus in der Potsdamer Straße 2-10 wird abgerissen. Mit finanzieller Unterstützung durch die Wohnraumförderung des Landes NRW entsteht hier in wenigen Jahren ein neuer Wohnkomplex. Bereits seit Ende März steht der etwa 500 Meter lange Bauzaun rings um das gesamte Areal. Beim Nachbarschaftsfest am 30. März (s. Seite 8) hatte der nordrhein-westfälische Bau- und Wohnminister Michael Groschek bereits symbolisch die Abrissbirne geschwungen – der Startschuss für den Abriss.
Wer aber in den Tagen und Wochen nach dem Fest immer mal wieder an der Baustelle vorbeigekommen ist, wird sich vielleicht gewundert haben: Kein einziger Bagger in Sicht. Es schien, als würde sich nichts tun. „Dem ist aber nicht so“, weiß Architekt Holger Heilmann, der im Auftrag des Bauherrn alle Planungen koordiniert und den Überblick behält. „Die ersten Wochen auf der Baustelle sind geprägt von Entrümpelungsarbeiten. Die Arbeiter der Abbruchfirma Knepper Recycling aus Lippstadt sind anfangs also die meiste Zeit im Gebäude tätig, vorwiegend im Keller. Erst später rollen die großen Baumaschinen an.“ Bis der Betonriese Schritt für Schritt abgetragen wird, ist also noch einiges an Vorarbeit zu leisten.
VON INNEN NACH AUSSEN
In einigen Wohnungen und in den Kellern müssen zurückgelassene Möbelstücke und verschiedener Unrat beseitigt werden. Um den Abtransport aus dem Gebäude zu erleichtern, wird die Fassade an einigen Stellen geöffnet und mit geeigneten Absturzsicherungen versehen. Zu den anfänglichen Arbeitsschritten gehört es auch, Wasser-, Abwasser- und Stromzugänge zurückzubauen. Abgehende Abwasserleitungen werden dabei ordnungsgemäß verschlossen und gegen Fremdwassereintritt gesichert.
BEZAHLBARES WOHNEN SICHERN
Die Planungen korrigieren nicht nur die vorhandenen städtebaulichen Schwächen des Bestandsgebäudes. Mit dem Neubau möchte die Kreisstadt gemeinsam mit ihren Partnern die Chance nutzen, die Wohn-, Nutzungs- und Betreuungsangebote im Quartier weiter auszuweiten.
Deshalb ist die Aufgabe für die Architekten und Planer auch so umfangreich: Der Neubau wird dem hohen Bedarf an verschiedenen Wohn- und Pflegeangeboten für unterschiedliche Zielgruppen gerecht. Zudem entstehen neben gemeinschaftsfördernden Angeboten auch kleine Wohnungen, die insbesondere für Senioren attraktiv sind. Dabei ist es durchweg das Ziel, Wohnraum zu schaffen, der bezahlbar ist und das auch bleibt.
GEBÄUDEENTKERNUNG
Vor dem maschinellen Rückbau der Gebäudesubstanz mit schwerem Gerät sind umfangreiche Sanierungs- und Entkernungsmaßnahmen erforderlich, um eine hohe Qualität des letztlich zu recycelnden Bauschutts zu gewährleisten. Das fängt zum Beispiel schon beim Dach an. Stephan Dringenberg von der Firma Knepper erklärt, wie das funktionert: „Unter dem Flachdachaufbau befindet sich eine Kiesschicht. Das Dach wird mit einem seitlichen Absturschutz versehen, anschließend wird der Kies per speziellem Saugfahrzeug abgetragen. Der Kies weist keinerlei Verunreinigungen auf, wird deshalb zwischengelagert und kann später dem Bauschutt zugeführt und letztlich recycelt werden.“ Bei einer solchen Entkernung bleibt lediglich die Gebäudefassade bestehen. Alles, was sich dahinter befindet, wird entsorgt – so zum Beispiel die Heizungsinstallationen, Fußböden, Fenster und Türen.
ATTRAKTIVES WOHNUMFELD
Das 1974 fertiggestellte Haus hat acht Stockwerke. Sobald nur noch ein rohbauähnliches Gebäude übrig bleibt, wird die Fassade Stück für Stück beseitigt. Der Rückbau erfolgt dabei in konventioneller Weise durch Abtragen und Abgreifen. Hierfür wird ein so genannter Longfront-Abbruchbagger eingesetzt.
„Die Maschine verfügt über eine Betonschere, mit der das entkernte Gebäude von oben nach unten abgegriffen und abgetragen wird“, weiß Stephan Dringenberg.
„Durch die Schere weisen die Trümmer eine geringe Größe auf und verursachen beim möglichen Herabfallen keine Erschütterungen. Die Schwingungen können deutlich begrenzt werden, da wir überwiegend von Rasenflächen aus arbeiten werden.“ Zudem kommt eine schneekanonenähnliche Maschine zum Einsatz. „Um mineralische Stäube zu binden“, erklärt Dringenberg. „Staub lässt sich auf einer Baustelle nicht vermeiden. Mit der Maschine können wir aber sehr effektiv die Staubentwicklung mit Wasser eindämmen.“
AUS BAUSCHUTT WIRD BAUSTOFF
Mittels mobiler Brech- und Siebtechnik wird aus dem Betonaufbruch noch auf der Baustelle selbst ein sortenreiner, hochwertiger Recyclingschotter erzeugt. Auch hier erfolgt eine Niederschlagung des Staubs mit Wasser. Zudem wird der Standort der Baumaschine so gewählt, dass die Lärmbelästigung für die direkte Nachbarschaft gering gehalten wird. Erschütterungen seien durch den Betrieb einer Brechanlage nicht zu erwarten.
Der vor Ort gewonnene Recyclingschotter wird chemisch analysiert, unter Zustimmung der zuständigen Behörden zwischengelagert und zeitnah externen Verwertungsmaßnahmen zugeführt. Alle übrigen Abfälle werden ordnungsgemäß entsorgt.
Der zwischengelagerte Recyclingbaustoff wird kontinuierlich und wetterabhängig mit Wasser benetzt, so dass Staubabwehungen vermieden werden. Der Schotter soll schließlich auf ortsnahen Baustellen wiederverwendet werden. Statt das Material von der Baustelle an der Potsdamer Straße zur Verwertungsstelle und von dort zur nächsten Baustelle zu fahren, rollen die LKWs nur zwischen den Baustellen. „Die Transportwege sind damit nicht nur einfacher und günstiger, sie schonen die Umwelt“, fasst Dringenberg zusammen.
VORSORGE STEHT AN ERSTER STELLE
Sowohl für Technik, die Logistik des Abbruchs als auch für die Entsorgung des Abbruchmaterials sind präzise Vorschriften formuliert worden, deren Einhaltung und Nachweise durch die Bezirksregierung Arnsberg, den Kreis Unna sowie durch das Ordnungsamt und den Bereich Bauordnung der Kreisstadt Unna überwacht werden.
Bereits seit Frühjahr 2017 wird darüber hinaus ein sogenanntes Beweissicherungsverfahren durch ein Sachverständigenbüro durchgeführt. „Hierbei werden die angrenzenden Gebäude und die der umliegenden Nachbarschaft genau unter die Lupe genommen und bereits vorhandene Mängel wie Risse dokumentiert“, weiß Bauherrenvertreter Holger Heilmann. Auch wenn Schäden als Folge eines Bauvorhabens eher selten auftreten, ist es für alle Beteiligten am einfachsten, wenn der Zustand der im nahen Bereich der Baumaßnahme liegenden Häuser vorher dokumentiert wird.
„Das ist aber noch nicht alles“, so Heilmann weiter. „Das Gutachterbüro wird in einem der benachbarten Gebäude ein Erschütterungs-Messgerät während des Zeitraums der Stemmarbeiten installieren. Damit können wir das Maß der Erschütterungen, die von den Abrissmaßnahmen ausgehen, eindeutig feststellen. Sollten die Erschütterungen einen Grenzwert übersteigen, werden die laufenden Arbeiten auf der Baustelle sofort eingestellt.“ Heilmann betont aber auch zugleich, dass keine Überschreitungen von Grenzwerten zu erwarten seien. „Wir nehmen die Befürchtungen unserer Nachbarn aber ernst. Wir wissen, die Konstruktion des Bestandsgebäudes erfolgte damals gemäß den Vorschriften und anerkannter Regeln des Bauens. Zusätzlich ergreifen wir geeignete Maßnahmen, um Schäden für Tragwerk und Fassaden angrenzender Gebäude auszuschließen.“ Auch die Mitarbeiter der Recyclingfirma Knepper wissen bei unserem Besuch auf der Baustelle zu beruhigen: „Erschütterungen werden subjektiv stärker wahrgenommen, als messtechnisch tatsächlich der Fall ist. Schon in 20 Metern Entfernung sind kaum Vibrationen mehr zu erwarten.“
Aus Sicht von Holger Heilmann sei eine bestimmte Maßnahme besonders wichtig: „Mit den Leuten vor Ort ins Gespräch kommen. Wir wollen transparent sein“, so Heilmann. „Sollten Anwohner Fragen oder Sorgen haben, gibt es mit dem Quartiersbüro einen ersten Ansprechpartner. Wir sind mit den Quartiersmanagern sehr eng vernetzt und können so aufkommende Fragen schnell beantworten und Bedenken ausräumen.“