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Irgendwie oft zwischen den Stühlen

Ob am Königsborner Markt oder im Quartiersbüro: Wer mit Wolfgang Ahlers ein Gespräch führen möchte, findet in seinen regelmäßigen Sprechstunden immer ein offenes Ohr. Im Vordergrund stehen dabei die Anliegen, Sorgen und Meinungen der Bürgerinnen und Bürger des Stadtteils. Als ich den Ortsvorsteher treffe, steht das Ratsmitglied selbst und seine ehrenamtliche Tätigkeit im Zentrum unseres Interviews.

Herr Ahlers, Sie engagieren sich seit 2004 im Rat der Kreisstadt Unna, seit circa fünf Jahren sind Sie Ortsvorsteher in Unna-Königsborn. Was genau ist Ihre Aufgabe?
Als Ortsvorsteher bin ich Vermittler zwischen den Bürgerinnen und Bürgern des Stadtteils Königsborn und der Stadtverwaltung Unna, also der erste Ansprechpartner für Anträge, Wünsche und Beschwerden. Auch viele Vereine wenden sich an mich, wenn sie Gesprächsbedarf haben.

„Das Zusammenführen der vielen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und Geschichte ist wichtig für das Quartier.“ – Wolfgang Ahlers, Ortsvorsteher (li.), im Gespräch mit Quartiersmanager Liberto Balaguer (re.), Foto: plan-lokal/Dennis Sakowski

Sie sind SPD-Mitglied und im Rat der Kreisstadt Unna. Wie sind Sie überhaupt zur Sozialdemokratie gekommen?
Schon als Kind habe ich erlebt, wie oft am Ende des Geldes, das mein Vater als Elektriker im Bergbau verdiente, noch immer sehr viel Monat übrig blieb. In meiner Lehrzeit machte ich die Erfahrung, dass man sich anstrengen und einsetzen muss, wenn einem Dinge wichtig sind und man etwas erreichen möchte. Viele heutige Selbstverständlichkeiten verdanken wir Sozialdemokraten, die über 100 Jahre hinweg, oft auch unter Einsatz ihres Lebens, soziale Gerechtigkeit und eine demokratische Gesellschaft erkämpft haben. Ich bin seit 1993 in der SPD. Sie war für mich der zur Partei gewordene Wunsch nach einer sozialen, demokratischen und solidarischen Gesellschaft, die allen gleiche Chancen bietet. Eine Gesellschaft, in der nur der Markt regiert und es keine Solidarität gibt, können sich Gering- und Normalverdiener überhaupt nicht leisten. Lebensrisiken, wie zum Beispiel Krankheit, müssen durch eine Solidargemeinschaft abgesichert werden, in der Starke für Schwächere einstehen. Damit meine ich jedoch nicht, dass es sich manche auf Kosten anderer in der „sozialen Hängematte“ bequem machen dürfen.

Mit welchen Anliegen wenden sich die Königsborner an Sie?
Da sind Anliegen ganz unterschiedlicher Art. Ob das jetzt Müll ist, der irgendwo illegal abgelegt worden ist, oder eine Straße, die kaputt ist – Hunde, die irgendwo hinmachen, wo sie nicht hinmachen sollen. Oder Bürger machen mich auf eine städtische Grünfläche hier im Quartier aufmerksam, auf der die Bäume sich gefährlich zur Seite neigen und umzustürzen drohen. Es sind oft kleine, aber wichtige Belange. Meiner Erfahrung nach macht man Politik am besten in kleinen Schritten.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Tätigkeit besonders gut?
Der Kontakt mit den Menschen. Ein Ortsvorsteher ist nicht jemand, der in seinem Büro sitzt, den Bleistift hält und wartet, bis etwas zum Unterschreiben kommt. Er muss zuhören und vieles selbst in die Hand nehmen. Manchmal muss man auch gegen die Ämter der Stadt agieren. Denn, wenn ich als Ortsvorsteher etwas erreichen möchte, bin ich ja einer von vielen, der etwas haben will. Man muss seine Position vertreten und seinen Standpunkt plausibel machen. Und wenn das mal nicht sofort klappt, dann muss man hartnäckig sein und es immer wieder versuchen. Das ist nicht immer leicht, alle unter einen Hut zu bekommen. Manchmal sitzt man dabei zwischen den Stühlen.

Was macht den Stadtteil und besonders das Quartier rund um die Berliner Allee lebenswert?
Die Vielfalt der Menschen: Geschichtlich haben in Unna und in Königsborn immer schon viele verschiedene Nationalitäten gelebt. Viele Bürger in Unna bewerten Königsborn und besonders das Quartier rund um die Berliner Allee oder den Bereich an der Dorotheenstraße negativ. Dabei waren sie oftmals noch nie in diesen Quartieren. Im Gegensatz dazu haben die Menschen, die hier leben, eine hohe Wohnzufriedenheit – trotz aller vorhandenen Probleme und Konflikte. Es wird viel über Vielfalt geredet. In Wirklichkeit schotten sich viele Menschen ab. Nachbarn reden kaum miteinander und Einsamkeit ist besonders bei älteren Menschen ein großes Problem. Geprägt wird das Quartier aber auch durch viele Familien und Alleinlebende mit nur geringem Einkommen. Damit verbunden ist jedoch nicht nur materielle Armut, sondern auch Bildungsarmut und besonders Chancenarmut. Wir müssen Menschen zusammenbringen durch Aktionen, wie den regelmäßigen Frühjahrsputz oder das kommende Sommerfest am 6. Juli. Und auch der Quartiersbeirat soll Menschen motivieren, das eigene Quartier mitzugestalten. Die Leute müssen einander begegnen und miteinander reden.

 

„Die Leute müssen einander begegnen und miteinander reden.“ – Wolfgang Ahlers, Ortsvorsteher (re.), im Gespräch mit Quartiersmanager Liberto Balaguer (li.) auf der „Parkquartier“-Baustelle, Foto: plan-lokal/Dennis Sakowski

 

 

 

 

 

 

Wo sehen Sie die größten Baustellen?
Die Anzahl älterer Menschen in unserer Gesellschaft steigt kontinuierlich. So auch in Königsborn. Man muss zusammen mit anderen Akteuren und der Stadt mehr Angebote für ältere Bürger entwickeln, ohne junge Familien, Kinder und Jugendliche zu vernachlässigen. Das Neubauvorhaben „Parkquartier Königsborn“ mit seinen öffentlich geförderten Wohnungen und den speziellen Angeboten ist der richtige Weg. Im Frühjahr 2020 können wohl die ersten Mieter einziehen. Die circa 100 Wohnungen in diesem Projekt reichen jedoch nicht. Wie in anderen Städten fehlen auch in Königsborn vor allem bezahlbare Wohnungen für Ein- und Zwei-Personen-Haushalte.

Sind damit zwei wichtige Themen gesetzt? Menschen zusammenführen und sich stark machen für bezahlbares Wohnen?
Absolut! Das Zusammenführen der vielen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und Geschichte ist wichtig für das Quartier. Dabei haben auch viele alteingesessene Deutsche, die in Königsborn leben, in ihrer Familie andere als deutsche Wurzeln.
Und bezahlbarer Wohnraum ist das A und O in unserer Gesellschaft. Früher sagte man, dass die Warmmiete nicht höher als ein Drittel des Nettolohns ausmachen sollte – das stimmt heute schon lange nicht mehr – da müssen wir gegensteuern, z. B. mit zusätzlich gefördertem sozialen Wohnungsbau.

Herr Ahlers, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Liberto Balaguer.