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Bürger machen Stadt

Die „Wohnzimmergespräche“ widmeten sich an diesem Abend den mehr als 30 Millionen Menschen in Deutschland, die sich gesellschaftlich engagieren.

Moderator und Quartiersmanager Liberto Balaguer hatte wieder drei Gesprächspartner eingeladen, die unter Beteiligung des Publikums unterschiedliche Aspekte dieses Themas beleuchteten. Doch auch die musikalische Unterhaltung kam mit „Extravoice“ – dem Gesangsensemble der Jugendkunstschule Unna – nicht zu kurz.

Einen Überblick über das bürgerschaftliche Engagement in der Kreisstadt gab zunächst Hermann Strahl von der Ehrenamts-Agentur des Forum Generationen. Mit ihren ehrenamtlichen Kräften informiert die Freiwilligenagentur über Vereine, Einrichtungen oder anderen gemeinnützige Organisationen, die für ihre Arbeit Ehrenamtliche suchen. Hermann Strahl: „Unsere Angebotspalette ist dabei sehr breit: vom Vorlesepaten in Kitas über Ausbildungspaten bis hin zu Joblotsen.“ Wer denn die Menschen seien, die eine ehrenamtliche Tätigkeit suchen und warum, fragte Balaguer. „Vornehmlich“, erläuterte Strahl, „sind es in Unna ältere Menschen. Häufig suchen diese nach ihrer beruflichen Tätigkeit ein neues Aufgabenfeld, um ihre Kompetenzen einbringen zu können.“ Laut einer Studie sind es bundesweit aber auch viele junge Leute: 52 % der 14- bis 17-Jährigen gaben 2014 an, sich ehrenamtlich zu engagieren, ein Viertel davon in Sportvereinen. „Bildung ist dabei das stärkste Merkmal für bürgerschaftlich Engagierte“, erläuterte Strahl weiter. „Wer gebildet ist, bei dem ist die Wahrscheinlichkeit für ein Engagement hoch.“ Häufig richtet sich das Engagement vieler Menschen auf bestimmte Ziele. Der Bereich „Internationale Solidarität“ wächst bundesweit am stärksten. Strahl: „Hier geht es vielen Menschen darum, etwas zu bewegen, die Gesellschaft in einem bestimmten Bereich mitzugestalten.“ „Wie bei der Integration der vielen Flüchtlinge?“ erkundigte sich Balaguer. „Ja, die ehrenamtliche Selbstorganisation in diesem Bereich spielt auch in Unna eine wichtige Rolle“, schilderte Hermann Strahl. Ohne das Engagement Tausender hätten die Kommunen den Ansturm der Menschen gar nicht bewältigen können. „Wichtig ist jetzt, dass es gelingt, Migranten zu Engagierten zu machen und damit zu Mitgestaltern unserer Gesellschaft“, so das Fazit von Hermann Strahl.

Im Vordergrund des Gesprächs mit Volker Manthei, Vorsitzender des Tauschrings Unna e. V., stand die persönliche Motivation der Mitglieder sowie praktische Fragen der Zeittauschbörse. Wie Volker Manthei erläuterte, bietet der Tauschring die organisatorische Grundlage zum entgeltfreien Austausch von Dienstleistungen für seine Mitglieder. Neben den klassischen Tätigkeiten der Nachbarschaftshilfe, wie Kinder- oder Tierbetreuung, Handwerker- oder Haushaltshilfe, werden PC-Beratung und Fahrdienste angeboten. Seit 2010 wurden rund 2.800 einzelne Tauschaktionen mit einem Zeitumfang von über 5.000 Stunden geleistet.

„Und wie haben wir uns das genau vorzustellen mit dem Zeittauschen?“, hakte Balaguer nach. Für jedes Mitglied werde ein Zeitkonto eingerichtet, erklärte Manthei. Die „Währung“ für das Zeitkonto sei der Hansetaler. Für erbrachte Leistungen werden Leistungsgebern entsprechende Hansetaler auf sein Konto gebucht. Das Zeitkonto des Leistungsnehmers wird entsprechend mit der gleichen Summe belastet. „Je ausgeglichener das Geben und Nehmen ist, desto besser funktioniert die Tauschbörse“, versicherte Manthei. „Bei uns ist jede Leistung gleich viel wert, ganz gleich, um welche Arbeit es sich handelt, egal ob praktische Arbeit oder kreative Tätigkeiten.“ Im Vordergrund steht für viele Mitglieder die Gemeinschaft, die gegenseitige Unterstützung. „Sicherlich auch eine gute Möglichkeit neue Menschen kennenzulernen“, ergänzte Balaguer. „Ja“, bestätigte Volker Manthei, „die meisten unserer Mitglieder sind schon etwas älter. Andere Menschen zu unterstützen, schafft Selbstbewusstsein und beugt auch Vereinsamung vor. Vor allem macht es aber Spaß und der kommt auch bei unseren gemeinsamen Festen nicht zu knapp!“

Welche Bedeutung bürgerschaftliches Engagement für das Gemeinwesen einer Stadt hat, beleuchtete Liberto Balaguer mit Petra Weber, der stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Soziales und Senioren der Kreisstadt Unna. Nach Ansicht von Weber trägt ehrenamtliches Engagement wesentlich zum sozialen Zusammenhalt in einer Stadt bei. „Erst die Bürger machen damit eine Stadt zur Stadt“, so Weber. Menschen engagieren sich heutzutage nicht etwa, um eine Bildungsinstitution generell zu verbessern, sondern oft, um ein konkretes Vorhaben durchzuführen oder zu finanzieren: „Die Anschaffung eines neuen Sportgerätes, die Begleitung von Jugendlichen bei der Berufsfindung oder Maßnahmen, die das unmittelbare Wohnumfeld verbessern sollen. Hier geht es nicht nur um Geld, sondern auch um öffentliche Aufmerksamkeit, Identifikation der Bewohner mit ihrem Quartier“, erläuterte Weber.

„Was kann die Politik tun, um Bürger in ihrem Engagement zu unterstützen?“, wollte Balaguer wissen. „Ein wichtiges Thema sind sicher Fragen der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Engagement. In dieser sogenannten Work-Life-Balance wird das bürgerschaftliche Engagement bislang häufig vergessen“, schilderte Weber. So könne Politik z. B. Anreize dafür schaffen, dass Unternehmen Mitarbeitern Freiräume bieten, sich zu engagieren. Hier sei die Bundes- und Landespolitik gefragt, Ansätze gäbe es ja schon, so Weber weiter.

„Was die Finanzierung bürgerschaftlicher Vorhaben angeht, haben wir im kommenden Jahr in Königsborn ganz besonders gute Möglichkeiten“ erläuterte Weber. Im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt“ werde sich in Königsborn Süd-Ost ein Quartiersbeirat gründen, der für Ideen und Vorhaben von Bürgern finanzielle Mittel aus einem sogenannten „Aktionsfonds“ bereitstellen kann. „Die Vorbereitungen für diesen Beirat laufen schon seit Wochen und jeder, der an einer Mitarbeit interessiert ist, kann sich im Quartiersbüro melden“, informierte Petra Weber zum Abschluss des informativen und auch unterhaltsamen Abends.